Sonntag, 7. Februar 2010

Der Null-Euro-Job

Von Ernst Probst

Heute war – wieder mal – eine lange Liste dringender Aufgaben zu erledigen. Doch ich kam kaum damit voran, weil immer wieder entweder die Glocke der Haustüre oder das Telefon läutet und die Lautstärke fälschlicherweise suggerierte, es handle sich um noch Wichtigeres.

Unangemeldet an der Haustür standen:
Zwei Angehörige einer Sekte, die seit Jahren vergeblich hoffen, mich zu einer anderen Religion zu bekehren.
Der Mitarbeiter einer karitativen Gesellschaft, der sich turnusgemäß erkundigte, ob ich zahlendes Mitglied sei, was ich erneut bejahte.
Ein Handwerker, der „zufällig" in der Gegend war und den günstigen Einbau neuer Fenster anbot.
Der Vertreter einer Staubsaugerfirma, der seine sündteuren Geräte über den grünen Klee pries.
Ein Mann vom Land, der sackweise Äpfel oder Kartoffeln offerierte.
Der Scherenschleifer, der preiswert Scheren und Messer schärfen wollte.
Ein Student, der wortreich Abonnements von Zeitschriften anbot, die mich nicht im Geringsten interessierten.
Jedem sagte ich gleich, dass ich wenig Zeit habe. Aber die ungebetenen Herrschaften ließen sich oft davon nicht abschrecken, selbst wenn mittlerweile im Haus das Telefon merklich hörbar schrillte.

Herrschte mal gerade an der Haustüre Ruhe, dann rappelte meistens das Telefon.
Ein Versicherungsvertreter wollte einen Besuchstermin mit mir vereinbaren, um zu checken, ob ich zu teure Versicherungen abgeschlossen hätte.
Der Mitarbeiter eines Meinungsforschungsinstitutes hätte gerne etwa 30 Minuten lang ein Interview mit mir geführt.
Eine Kfz-Versicherung und eine Telefongesellschaft boten einen niedrigeren Tarif an.
Meine Hausbank fragte wegen eines höheren Geldbetrages an, der auf meinem Konto eingegangen war, wie ich diesen anzulegen gedenke.
Ein Geschäftsmann versuchte, mich für den teuren Eintrag meiner Homepage in seine Suchmaschine zu begeistern.
Ein Vertreter wollte wissen, ob ich in der nächsten Ausgabe eines Adressbuches erwähnt werden wolle.
Zwei Leute hatten auf dem Flohmarkt für wenig Geld Antiquitäten gekauft und wollten von mir wissen, um was es sich dabei handle und was diese Objekte wert seien.
Eine Dame mit netter Stimme wollte erfahren, ob ich in nächster Zeit ein Auto kaufen wolle.
Ein Mann vom Land offerierte sackweise Äpfel oder Kartoffeln.
Selbst zu vorgerückter Stunde kurz vor und nach Mitternacht riefen noch Leute an und stahlen mir die Zeit.

Zwischendurch spuckte das Faxgerät Unwichtiges aus.
Jemand wies – wieder einmal – auf seinen Faxabrufdienst hin, obwohl ich schon mehrfach gebeten hatte, mir keine solchen Faxe mehr zu schicken.
Eine Zeitschrift, bei der ich eine kostspielige Anzeige aufgeben sollte, faxte 5 Seiten.

Der Briefträger brachte an diesem Tag keinen einzigen interessanten Brief, sondern nur Reklame und Bettelbriefe.
Drei Büroartikelversender schickten dicke Kataloge.
Zwei Vereine in weit entfernten Bundesländern wünschten Spenden für Tombolas.

Außerdem kamen an jenem Tag mehr als 500 E-Mails – teilweise mit gefährlichen Computerviren, übelster Pornografie, gemeinen Betrugsversuchen und uninteressanter Werbung.

Erschöpft sank ich spätabends nach einem mehr als 15-stündigen Arbeitstag als Selbstständiger auf die Wohnzimmercouch und sah einen Fernsehbeitrag über Ein-Euro-Jobs an. Ich selbst hatte an diesem speziellen Tag einen Null-Euro-Job!

Morgen sieht es sicherlich wieder anders aus!