Samstag, 6. Februar 2010

Darmstädter Experten erforschten Tierwelt am Ur-Rhein

Darmstadt – Der Name von Darmstadt wird in dem Taschenbuch „Der Ur-Rhein. Rheinhessen vor zehn Millionen Jahren“ des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst sehr oft erwähnt. Kein Wunder: Bei der Erforschung der exotischen Tierwelt spielten das Hessische Landesmuseum Darmstadt und Darmstädter Paläontologen eine wichtige Rolle.

Von 1817 bis 1913 wurden im Großherzoglichen Museum Darmstadt, dem Vorläufer des Hessischen Landesmuseums Darmstadt, insgesamt 817 Fossilien aus Eppelsheim und 1230 aus Esselsborn registriert. Eppelsheim und Esselborn gehören zu dem rund ein Dutzend Fundorten in Rheinhessen mit Ablagerungen des Ur-Rheins, die Zähne und Knochen von Säugetieren aus dem Obermiozän vor etwa zehn Millionen Jahren enthalten.

Die Ablagerungen des Ur-Rheins werden als Dinotheriensande bezeichnet, weil in ihnen oft Reste des riesigen Rüsseltieres Deinotherium giganteum – volkstümlich Dinotherium genannt – zum Vorschein kamen. Das bis zu etwa 3,60 Meter große Deinotherium giganteum – zu deutsch: „Riesiges Schreckenstier“ – ist 1829 von dem berühmten Darmstädter Paläontologen Johann Jakob Kaup (1873) erstmals beschrieben und benannt worden. Ernst Schleiermacher (1755-1844), der erste Direktor des Großherzoglichen Museums Darmstadt, hat die Bedeutung der Funde aus dem Dinotheriensanden in Rheinhessen erkannt und ihre Erforschung maßgeblich gefördert.

Kaup hat von den bisher bekannten 34 Säugetierarten vom Fundort Eppelsheim allein mehr als die Hälfte untersucht, beschrieben und bekannt. Darunter waren neben dem Rüsseltier Deinotherium auch das merkwürdige krallenfüßige Huftier Chalicotherium, die Säbelzahntiger Machairodus und Paramachairodus, der Bärenhund Agnotherium, der Katzenbär Simocyon, der Ur-Elefant Tetralophodon, die Nashörner Aceratherium, Brachypotherium und Dihoplus, Tapire, Schweine und kleinwüchsige Hirsche.

Funde aus den Ablagerungen des Ur-Rheins wurden auch von den Darmstädter Paläontologen Oskar Haupt (1878-1939) und Karl Weitzel (1890-1949) wissenschaftlich untersucht, beschrieben und benannt. Haupt beschrieb 1935 den rätselhaften Menschenaffen Rhenopithecus eppelsheimensis und Weitzel 1930 den etwa 1,90 Meter langen Bärenhund Amphicyon.

Viele der Funde aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Rheinhessen werden noch heute im Hessischen Landesmuseum Darmstadt aufbewahrt. Als wissenschaftlich besonders wertvoll gilt der rund 28 Zentimeter lange Oberschenkelknochen des Menschenaffen Paidopithex rhenanus aus Eppelsheim, über den noch heute Experten in aller Welt diskutieren und sich nicht einig sind, worum es sich dabei eigentlich handelt.

Von dem 1835 in Eppelsheim entdeckten Oberschädel des Rüsseltieres Deinotherium wird im Hessischen Landesmuseum Darmstadt ein Abguss aufbewahrt. Solche Abgüsse befinden sich auch in Museen von Basel, Frankfurt am Main, Mainz und im Dinotherium-Museum in Eppelsheim. Das Original dagegen ist in London zu bewundern.

Das Taschenbuch „Der Ur-Rhein“ schildert auch die Anfänge des Rheins, der zunächst einen ganz anderen Lauf und eine andere Länge als heute hatte. Vor ca. zehn Millionen Jahren floss er noch nicht durch die Gegend von Oppenheim, Nierstein, Nackenheim, Mainz und Wiesbaden, sondern westlich davon über das Gebiet von Alzey zur Binger Pforte.

Der Text des Taschenbuches ist mit vielen Abbildungen aufgelockert. Eine Augenweide sind 21 Zeichnungen des Prager Malers Pavel Major, die im Auftrag der Gemeinde Eppelsheim für das Dinotherium-Museum angefertigt wurde. Das Taschenbuch „Der Ur-Rhein“ umfasst 264 Seiten und ist zum Preis von 24,99 Euro beim Buchgroßhändler „Libri“, bei „Amazon“ und in jeder guten Buchhandlung erhältlich.